BVCP - Die Rehkitzretter
Die Rehkitzrettung in Deutschland steht vor einem neuen Kapitel: Mit der Einführung besonderer Geozonen durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) wurden neue rechtliche Grundlagen geschaffen, die Drohneneinsätze zum Schutz von Wildtieren – insbesondere zur Rettung von Rehkitzen – erheblich erleichtern. Diese Geozonen ermöglichen es, Drohnenflüge näher als 150 Meter an Industrie-, Gewerbe-, Wohn- und Erholungsgebiete heranzuführen, was vorher aufgrund europäischer Vorschriften der EU-Verordnung 2019/947 für Drohnen der offenen Kategorie A3 streng reglementiert war. 

Die EU-Verordnung 2019/947 und die Rolle von Geozonen

Die EU-Verordnung 2019/947, die den Betrieb unbemannter Luftfahrzeuge regelt, teilt Drohnenoperationen in drei Risikokategorien ein: offene, spezielle und zertifizierte Kategorie. Drohnen, die zur Rehkitzrettung eingesetzt werden, fallen meist in die Offene Kategorie da sie ein geringes Risiko darstellen und in Sichtweite des Piloten operieren. Normalerweise dürfen Drohnen der Unterkategorie A3 in dieser offenen Kategorie bebaute Gebiete nur mit einem Mindestabstand von 150 Metern annähern, um die Sicherheit und Privatsphäre von Menschen zu gewährleisten oder Industrie- und Gewerberäume zu schützen.

Die Verordnung sieht jedoch vor, dass die Mitgliedstaaten spezielle Geozonen einrichten können, um zusätzliche Regelungen für den Drohnenbetrieb in bestimmten Bereichen zu schaffen. Diese Zonen dienen traditionell dazu, Flüge in sensiblen Gebieten – wie Flughäfen oder dicht besiedelten Stadtgebieten – einzuschränken. Doch das BMDV nutzt diese Flexibilität der Verordnung auf innovative Weise, um Drohneneinsätze zur Wildtierrettung zu erleichtern anstatt zu beschränken.

Erweiterung statt Einschränkung: Geozonen für den Tierschutz

Als erstes Land in der EU macht Deutschland nun von einer nationalen Ausnahmeregelung Gebrauch: Im Fall der Rehkitzrettung wird der Mechanismus der Geozonen genutzt, um Drohnen näher an bebaute Gebiete heranzuführen. Diese rechtliche Erweiterung wird über eine Allgemeinverfügung des BMDV umgesetzt, die Geozonen festlegt, in denen Drohnenflüge explizit für tierschutzrelevante Einsätze erlaubt sind. Die neue Regelung erlaubt es, Drohnenflüge in der Nähe von bewohnten, industriell oder gewerblich genutzten Gebieten durchzuführen, wenn sie dem Zweck des Tierschutzes und der Wildrettung dienen – eine Maßnahme, die insbesondere in landwirtschaftlichen Regionen von großem Vorteil ist. In diesen Gebieten gilt weiterhin ein Mindestabstand gemäß der 1:1-Regel. Das bedeutet, dass der Mindestabstand auf 10 Meter reduziert werden kann, wenn entsprechend tief geflogen wird. Dadurch steht den Betreibern weiterhin über 90 Prozent mehr Fläche für den Drohneneinsatz zur Verfügung.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Geozonen

Durch die Einrichtung dieser besonderen Geozonen werden die strengen Abstandsregelungen der Kategorie A3 temporär aufgehoben, jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen und ausschließlich für den Tierschutz. Das bedeutet, dass Drohnen für Einsätze zur Rehkitzrettung oder zum Schutz anderer Wildtiere näher als 150 Meter an Industrie-, Gewerbe-, Wohn- und Erholungsgebiete herangeführt werden dürfen, ohne dass eine umfassende Sondergenehmigung erforderlich ist.

Die rechtliche Grundlage für diese Erweiterung basiert auf einer Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Tierschutz und der allgemeinen Flugsicherheit. Die EU-Verordnung erlaubt es den Mitgliedstaaten, Geozonen einzurichten, wenn diese im öffentlichen Interesse liegen und ein geringes Risiko für die Bevölkerung darstellen. Diese Ausnahme für den Tierschutz überschreibt das grundsätzliche Verbot der Annäherung von Drohnen an bebaute Gebiete für die offene Kategorie A3, was normalerweise eine strenge Beschränkung darstellt.

Dazu erklärt Bundesminister Dr. Volker Wissing:

Unsere temporär geltende Ausnahmeregelung war ein voller Erfolg: Tausende Rehkitze konnten in der Frühjahrsmahd mit Hilfe von Drohnen gerettet werden. Im Herbst erhoffen wir uns nun ähnliche Effekte für die Wildtiere, die gerade in der Brunftzeit durch Wildunfälle verletzt werden und nur per Drohne gefunden werden können. Wir entlasten unsere Land- und Forstwirte sowie Jäger indem wir nationale Spielräume im Europarecht nutzen und den Drohneneinsatz zum Zwecke des Wildtierschutzes jetzt dauerhaft ermöglichen.

Voraussetzungen für Drohneneinsätze in Geozonen

Obwohl die Abstandsregelungen für Drohnenflüge in den neuen Geozonen gelockert wurden, gibt es weiterhin strenge Anforderungen an die Betreiber:

    1. Sichtflugregelung: Die Drohnen müssen in Sichtweite des Piloten bleiben, um jederzeit eingreifen zu können und Gefahren zu minimieren.
    2. Versicherungspflicht: Jeder Drohneneinsatz erfordert eine Haftpflichtversicherung, die potenzielle Schäden an Dritten abdeckt.
    3. Technische Sicherheitsvorkehrungen: Die Drohnen müssen mit einem automatischen Rückkehrmodus oder einer Notlandefunktion ausgestattet sein, um im Falle eines Kontrollverlustes sicher zu landen.
    4. Datenschutz: Da Drohnen häufig mit Kameras ausgestattet sind, müssen alle Datenschutzvorgaben eingehalten werden, insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre in bewohnten Gebieten.

Rechtliche Möglichkeiten: Warum Erweiterungen möglich sind

Die Einführung von Geozonen zur Wildtierrettung stellt ein innovatives Beispiel dafür dar, wie die Flexibilität der EU-Verordnung 2019/947 genutzt werden kann, um nicht nur Flugbeschränkungen zu schaffen, sondern auch gezielte Ausnahmen und Erweiterungen zu ermöglichen. Im Gegensatz zu vielen anderen Geozonen, die der Einschränkung von Drohneneinsätzen dienen, nutzt das BMDV die Geozonen hier, um die Flugberechtigungen zu erweitern, was eine Abkehr von der klassischen Anwendung dieser Regelungen darstellt.

Diese rechtliche Erweiterung ist deshalb möglich, weil das öffentliche Interesse am Schutz von Wildtieren als besonders hoch eingestuft wird und die damit verbundenen Risiken als gering eingeschätzt werden, solange die vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden. Durch die Zweckbindung der Geozonen – nämlich der Einsatz ausschließlich für tierschutzrelevante Maßnahmen – bleibt der allgemeine rechtliche Rahmen der EU-Verordnung unberührt, und die Sicherheit der Luftfahrt sowie der Privatsphäre wird weiterhin gewährleistet.

Fazit

Die Einführung von Geozonen zur Wildtierrettung ist ein wegweisender Schritt, der zeigt, wie der Drohneneinsatz im öffentlichen Interesse flexibel gestaltet werden kann. Durch die gezielte Erweiterung der Flugberechtigungen in definierten Geozonen ermöglicht das BMDV Drohnenpiloten, ihren Einsatzbereich zu erweitern, ohne dabei die allgemeinen Sicherheitsanforderungen zu verletzen. Diese rechtliche Neuerung stellt nicht nur einen Fortschritt im Tierschutz dar, sondern auch ein Beispiel für die dynamische Anpassung des rechtlichen Rahmens an die sich ständig weiterentwickelnde Technologie der Drohnen.


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Bundesverband Copter Piloten e.V. (BVCP)

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